"Wenn es um die Gestaltung von Leistungsentgeltsystemen geht, kommt man meiner Ansicht nach um eine saubere Personalbemessung und exakte Planzeitkataloge nicht herum." (Weitere » Erfahrungen und Stimmen der Teilnehmer)
In Deutschland sind qualifizierte Mitarbeiter zum begrenzenden Wachstumsfaktor geworden. Der knappe und teure Produktionsfaktor Mensch ist deshalb gezielt einzusetzen. Eine bedarfsgerechte Personaleinsatzplanung, basierend auf einer angemessenen Personalbemessung, ist gefordert. Und das in der Produktion, im Büro und im Homeoffice.
Personalbemessung: Nutzen, Grenzen, Tools und Praxis-Beispiele
Doch die Personalbemessung ist nicht nur relevant im Hinblick auf die Optimierung der Personaleinsatzplanung. Die Personalbemessung stellt auch eine wichtige Voraussetzung für die Formulierung angemessener Ziele und die Gestaltung eines attraktiven Leistungsentgeltsystems dar.
In diesem Interview mit Eckhard Eyer von der Akademie für Benefits & Compensation geht es um das Thema Personalbemessung und nützliche Tools der Personalbemessung wie beispielsweise Planzeitkataloge.
Erfahren Sie Hintergründe der Personalbemessung, Auswirkungen, Anwendungsbereiche, Grenzen der Personalbemessung und hilfreiche Beispiele aus der Praxis.
Herr Eyer, das Thema Personalbemessung rückt immer stärker in den Fokus des Managements, besonders bei der Zunahme der Arbeit im Homeoffice und dem Führen auf Distanz. Was ist das Neue an der Personalbemessung?
Da gibt es gar nicht so viel grundsätzlich Neues. Das Thema Personalbemessung ist schon sehr lange aktuell. Bereits in der Wissenschaftlichen Betriebsführung von F. W. Taylor zu Beginn des letzten Jahrhunderts taucht es auf. 1924 wurde in Deutschland der „Reichsausschuss für Arbeitszeitstudien“ mit dem Akronym REFA gegründet. Die Zeit, die Mitarbeiter zum Verrichten einer Arbeit benötigen, wurde mit der Stoppuhr erfasst und diente zur Personalbemessung, Kapazitätsplanung und in der Produktion auch zur Akkordentlohnung.
Die umfangreiche Personalbemessung bei Arbeitern, also bei gewerblicher Arbeit, ist seit mehr als einem Jahrhundert Standard. Dort wurden Arbeitsschritte zum Teil in 1/100 Minuten gemessen. Man bemühte sich sehr genau zu sein, um Leerlauf und Verschwendung zu vermeiden. Dazu kam das Motto der Unternehmer: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser.
Wurde eine Personalbemessung nur bei Arbeitern vorgenommen?
Die Produktion stand all die Jahrzehnte im Interesse des Managements, weil am Industriestandort Deutschland dort die meisten Menschen arbeiteten. Bei den Angestellten hat man die Personalbemessung vernachlässigt. Denn bei Angestellten ging man lange Zeit von einem anderen Menschenbild aus, von motivierten und engagierten Mitarbeitern, die nahe beim Chef arbeiteten: Der Chef motiviert sie durch sein Vorbild und die Mitarbeiter stehen sozusagen gleichzeitig unter seiner Aufsicht.
Aufgrund dieses Menschenbildes erübrigte sich nach damaliger Auffassung bei den Angestellten eine sorgfältige und methodische Personalbemessung weitgehend. Es war auch die Meinung verbreitet, dass Leistungsdruck bei Angestellten nur zu Fehlern führt, die Qualität reduziert und vor allem die Kreativität und Innovationsfreude verhindert.
Wurde nur bei Arbeitern eine Personalbemessung vorgenommen?
Die Antwort ist ein eindeutiges „Jein“. Die Produktion stand all die Jahrzehnte im Interesse des Managements, weil am Industriestandort Deutschland viele Menschen in der Produktion arbeiteten. Bei den Angestellten hat man die Personalbemessung lange vernachlässigt und ihnen, wie soeben beschrieben, ein hohes Engagement und eine hohe intrinsische Motivation unterstellt.
Mit dem Wandel von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft in Deutschland gewann die Personalbemessung auch bei Angestellten zunehmend Bedeutung, denken Sie zum Beispiel an Altenheime, Callcenter, Krankenhäuser, Reinigungsunternehmen sowie Banken und Sparkassen. Diese Branchen übernehmen zunehmend die Methoden der Personalbemessung, die sich in der Industrie schon lange bewährt haben, vor allem in der Produktion.
Wie geht man bei der Personalbemessung am besten vor?
Es wird gerne mit Planzeitkatalogen gearbeitet. Das bedeutet: Für gewisse Arbeitsschritte oder Arbeiten werden die Zeiten ermittelt, die notwendig sind. Diese werden statistisch ausgewertet. Die Erfassung geschieht immer weniger mit der traditionellen Stoppuhr.
Die Auswertung vorhandener Ist-Daten mit intelligenten Algorithmen, nach dem Gesetz der großen Zahl, sind zunehmend die Grundlage für die Personalbemessung, Kapazitätsplanung und verbindlichen Terminzusagen gegenüber den Kunden. Die Personalbemessung ist daher auch bei Mitarbeitern im Homeoffice, die auf Distanz geführt werden, sehr wichtig.
Fühlen sich die Mitarbeiter nicht gegängelt, überwacht und unter Druck gesetzt, wenn sie Vorgaben für gewisse Arbeiten gemacht bekommen?
Wenn die Personalbemessung methodisch sauber gemacht wird, sind solche Missstimmungen recht selten. Sicher ist die Personalbemessung für manche Mitarbeiter gewöhnungsbedürftig, aber sie hat auch für die Mitarbeiter ihre guten Seiten.
Die Zeiten für gewisse Arbeiten geben dem Mitarbeiter beispielsweise auch die Sicherheit, dass er nicht zu viel Arbeit für seine Arbeitszeit von zum Beispiel 8 Stunden am Tag zugeteilt bekommt und erwartet wird, dass er das Zuviel an Arbeit klaglos in 10 Stunden und ohne Überstunden zu dokumentieren abarbeitet.
Wo sind die Grenzen für die Personalbemessung?
Grundsätzliche Grenzen gibt es nicht, aber es stellt sich die Frage, wie man eine Balance zwischen Aufwand und Ertrag schafft. Denken die an einen Sanitärhandwerker, der Reparaturen bei nassen Wänden im Haus vornimmt: Dort ist es schwer, mit Planzeiten und einer sauberen Personalbemessung zu arbeiten.
In einer Autowerkstatt hingegen kann man bei einer Inspektion, zum Beispiel der 60.000 km Inspektion, ohne weiteres mit Planzeiten und einer entsprechend sauberen Personaleinsatzplanung arbeiten.
Können Sie Beispiele für die Personalbemessung bei anspruchsvollen Dienstleistungen nennen?
Denken Sie beispielsweise an den Operationssaal in einem Krankenhaus, in dem Hüft- und Kniegelenke ausgetauscht werden. Dort gibt es Planzeitkataloge, nach denen die Kapazität des Operationssaals berechnet wird und Patienten für die geplanten Operationen einbestellt werden. Natürlich kommen auch ungeplante Operationen zum Beispiel nach Unfällen hinzu. Es existieren jedoch belastbare Erfahrungswerte, wie das Verhältnis der planbaren zu den nicht planbaren Operationen ist.
Diese Erfahrungswerte fließen auch in die Personalbemessung und damit die Kapazitäts- und Personaleinsatzplanung ein. Die Personaleinsatzplanung wird auch auf einzelne Wochentage differenziert zugeschnitten.
Gibt es weitere Beispiele für die Personalbemessung bei Dienstleistungsunternehmen?
Ja, zum Beispiel das Dienstleistungsunternehmen carexpert. Dies ist eine Sachverständigenorganisation, die Schadensgutachten bei KFZ-Unfällen gerichtsfest erstellt. Den Kunden wird zugesagt, dass sie innerhalb von 24 Stunden nach der Schadensmeldung ein Gutachten erhalten. Um einen Planzeitkatalog zu erstellen, wurden die möglichen Gutachten vom kleinen Kratzer bis zum Totalschaden klassifiziert und die Zeit für die durchschnittliche Fahrt von Werkstatt zu Werkstatt regional differenziert ermittelt.
Berücksichtigt werden pauschal auch Zeiten für Qualifizierung und Meetings. Aufgrund des so entstandenen differenzierten Planzeitkatalogs planen die Mitarbeiter in der Zentrale, bei denen Schadensmeldungen der Werkstätten und Versicherungen eingehen, die Aufträge für die Schadensgutachter am nächsten Tag und vereinbaren die Termine verbindlich mit den Kunden.
Stößt solch eine Personalbemessung beim Urlaubsverkehr nicht an ihre Grenzen?
Nein, denn aufgrund einer intelligenten Jahresarbeitszeit können die Schadensgutachter mit ihrer Arbeitszeit flexibel auf den Arbeitsanfall reagieren. Hinzu kommt, dass vereinbart ist, dass die KFZ-Sachverständigen bei Bedarf auch an zwei Wochen im Jahr versetzt werden können.
Die Schadensgutachter arbeiten in diesen Zeiträumen nicht von ihrem heimischen Homeoffice aus, sondern in den Regionen, in denen beispielsweise lokal Blitzeis-Unfälle oder Hagelschäden aufgetreten sind.
Wie gelingt eine professionelle und methodisch saubere Personalbemessung im Unternehmen?
Das methodische Rüstzeug inklusive entsprechender Tools stellen zum Beispiel REFA und MTM zur Verfügung. Eine Vielzahl von Beratern nutzt deren Methoden und Tools um Unternehmen, zunehmend auch Unternehmen des Dienstleistungsbereichs, bei der Personalbemessung zu unterstützen und mit der Ressource Mitarbeiter sparsam umzugehen.
Wichtig ist zu beachten, dass die jeweils angewandten Methoden auch von Mitarbeitervertretern, Betriebsräten und Gewerkschaften akzeptiert werden, insbesondere dann, wenn sie auch für die Leistungsvergütung eingesetzt werden. Aus diesem Grund arbeiten zum Beispiel bei der Methodenentwicklung und der darauf aufbauenden Tools von REFA die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zusammen. Durch die Personalbemessung wird somit auch die Basis für ein faires Leistungsentgelt gelegt.
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Über Eckhard Eyer
Eckhard Eyer bietet konzeptionelle Beratung bei der Entwicklung und Umsetzung von Führungs- und Entgeltsystemen sowie bei dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen und Haustarifverträgen. Erfahren Sie hier mehr über und von » Eckhard Eyer.
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