"Ursprünglich wollten wir den jahrelang gezahlten Bonus abschaffen. Es war an dem Verhalten der Bonus-Empfänger im Vertrieb deutlich zu sehen, dass hierdurch die falschen Anreize gesetzt wurden. Mit Unterstützung der Comp&Ben-Experten haben wir in einen einzigen Workshop zusammen mit dem Betriebsrat das Bonussystem an den maßgeblichen Stellen modifiziert. Jetzt funktioniert es perfekt und die Vertriebsperformance hat sich nachhaltig verbessert." (Weitere » Erfahrungen und Stimmen von Teilnehmern, Auftraggebern und Kunden)
Das zentrale Argument gegen Bonussysteme lautet: Bonussysteme setzen die falschen Anreize. Es gibt genug Beispiele: Die Boni von Vorständen und Investmentbankern etwa, die die Lehman Brothers Bank und dann auch die Welt in die Finanz- und Wirtschaftskrise stürzten. Fast jeder kennt auch das Beispiel von der Schlangenplage, die im britischen Kolonial-Indien durch einen Bonus entstand.
Also weg mit dem Bonus? Einfach den Bonus abschaffen?
Aber die Zweifel mehren sich, dass es das Bonussystem oder der Bonus selbst ist, der da die falschen Anreize setzt.
Denn viele Bonussysteme funktionieren zufriedenstellend, gut oder sogar sehr gut. Und geräuschlos. Aber darüber findet man nirgendwo Berichte. Solche Bonussysteme sind zu langweilig für die Medien, die ihre Leserschaft mit Katastrophen und Skandalen unterhalten müssen. Was machen die einen Bonussysteme richtig, was die anderen falsch?
Bonus für das Eingehen unverantwortlicher Risiken – und für Schlangen
Die Vorgänge bei der Entstehung der Finanz- und Wirtschaftskrise sind äußerst komplex. Das Platzen der Immobilienblase. Das Verhalten der US-Regierung, einige Großbanken zu unterstützen und die Lehman Brothers nicht. Die Interbankenkredite und und und. Für meinen Geschmack ist dies zu verwoben und verflochten, um monokausal den Bonussystemen die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben.
Aber das Beispiel von der Schlangenplage ist sehr gut geeignet, um die falschen Anreize von Bonussystemen zu erkennen. Was war passiert? Zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft in Indien wurden viele Briten von Kobras gebissen und starben. Um die Giftschlangen auszurotten, lobte ein britischer Gouverneur einen Bonus für jede tote Kobra aus.
Das schien zunächst gut zu wirken: Täglich kamen immer mehr Inder mit toten Kobras zu den Behörden und ließen sich den Bonus pro Schlange auszahlen. Irgendwann kamen die Briten dahinter, dass die die Inder die Kobras in Schlangenfarmen züchteten und dann totschlugen, um den Bonus einzustreichen. Die Briten reagierten sofort: Sie schafften den Bonus ab.
Bonus abschaffen und die Folgen
Das war allerdings wieder nicht so schlau. Denn daraufhin setzten die Inder die noch ungetöteten Kobras der Schlangenfarmen einfach in der Natur aus und verursachten so eine noch größere Schlangenplage („Kobra-Effekt“). Ähnlich erging es Bosch: Als Vorstandsvorsitzender Volkmar Denner im Jahre 2015 die individuellen, leistungsabhängigen Bonussysteme strich, lobte das manager magazin ihn hier als „Visionär der Vergütungsszene“.
Und alle Nicht-Betroffenen jubelten mit. Ohne die Folgen dieser kurzsichtigen Entscheidung absehen zu können. Und ohne zu bemerken, dass allein der Vorstand sich selbst nicht von der Last und den Fehlanreizen individueller Bonuszahlungen befreite. Das war das eine, was dem Abschaffen des Bonus einen fiesen Beigeschmack verlieh.
Das andere: Die High Performer bei Bosch jubelten nicht. Dass bei Bosch individuelle Leistung nicht mehr honoriert wird, traf die Leistungsträger im Portemonnaie und direkt ins Herz. Sie verließen das Unternehmen in Scharen und gingen zu Betrieben, in denen Hoch- und Höchstleistungen gesehen, wertgeschätzt und auch honoriert werden.
Bonus nicht abschaffen, sondern gar nicht erst anschaffen
Also besser von vornherein keinen Bonus für Mitarbeitende, sagen viele. Ja, kann man so machen. Aber zu bedenken ist: Ein Bonus kann nie selbstständig falsche Anreize setzen. Falsche und auch richtige Anreize setzen können nur diejenigen, die dieses Bonussystem gestalten und einsetzen.
Aber wie ist denen das passiert? Und worauf muss man achten, wenn man mit Bonus, Compensation (Festgehalt), Compensation-Steigerung, Benefits oder irgendeiner anderen Comp&Ben-Form keinesfalls den falschen Anreiz setzen will?
Beim Compensation-System auf das Compensation-Kriterium achten
Das ist ganz einfach: Achten Sie auf das Compensation-Kriterium. Das Compensation-Kriterium ist entscheidend für die Anreizrichtung. Es wird auch Entgeltkriterium, Vergütungskriterium oder Bewertungskriterium genannt. Denn hiernach bemisst sich der Wert der geleisteten Arbeit. Auch die Begriffe Compensation-Faktor, Entgeltfaktor oder Vergütungsfaktor sind nicht unüblich.
Das Compensation-Kriterium regelt, mit welcher Compensation-Höhe eine bestimmte Arbeit oder Arbeitsleistung ausgeglichen wird. Ziel ist dabei das Erreichen einer gerechten Vergütung bzw. einer Vergütung, die von allen Beteiligten als gerecht empfunden wird. Das Compensation-Kriterium steuert üblicherweise die Höhe der Compensation ganz unmittelbar. Aber es sollte nicht allein für Fairness sorgen: Es sollte auch das Ziel und die beabsichtigte Anreizrichtung genau widerspiegeln.
Beim Bonussystem auf das Bonuskriterium achten
Ein Beispiel gefällig? Im Schlangenbonus-Fall hieß das Compensation-Kriterium – bzw. hier: das Bonuskriterium – schlicht und einfach „Anzahl toter Kobras“. Wenn es den Briten darum gegangen wäre, die Anzahl der toten Kobras im eigenen Besitz zu erhöhen, beispielsweise um Schlangenlederschuhe daraus herstellen zu können, wäre es das richtige Bonus-Kriterium gewesen. Dann würde ja auch die Schlangenzucht der Inder völlig in Ordnung gehen. Das war aber nicht das Ziel und nicht die beabsichtigte Anreizrichtung.
Nein, das Ziel war die Reduzierung der durch Schlangenbisse getöteten Briten. Das wäre das richtige Bonus-Kriterium gewesen. Ich kann ja verstehen, was sich damals in den Köpfen der Kolonialherren abspielte: Weil man dieses Bonus-Kriterium keinem einzelnen Inder zurechnen und ihm dafür einen Bonus zahlen kann, hat man einfach ein anderes und damit falsches Bonus-Kriterium gewählt.
Lieber keinen Bonus als falsche Anreize
Mein Berater-Tipp in Fällen, wenn es unmöglich ist, ein passendes Bonus-Kriterium zu finden – oder dann, wenn der Aufwand für die Messung zu hoch ist: Dann eben keinen Bonus. Lieber keinen Bonus als falsche Anreize geben! Das sagt doch schon der gesunde Menschenverstand. Im Schlangenbonus-Fall war es jedoch keinesfalls unmöglich: Mit etwas Nachdenken hätte man ein Bonus-Kriterium finden können, das den Briten wirklich geholfen hätte.
Aber deutlich ist: Es sind nicht die Bonussysteme, die immer wieder falsche Anreize setzen und zu schlimmen Entwicklungen führen. Es sind immer und ausnahmslos Menschen, die bei der Ausgestaltung des Systems die falschen Bonus- bzw. Compensation-Kriterien bestimmen. Und Menschen wie die Inder, die das Bonussystem so verstehen, wie es gesagt wurde. Und nicht so, wie es gemeint war.
Wo falsche Compensation-Kriterien und falsche Anreize drohen
Wo können uns diese so unfassbar entscheidenden Compensation-Kriterien begegnen? Es gibt vier Formen im Comp&Ben-Bereich, bei denen diese relevant sind: Bei der variablen Compensation (Prämie, Bonus, Tantieme etc.), bei der festen Compensation (Festgehalt), bei der turnusmäßigen Anpassung der Compensation und bei den Benefits. Auch Benefits müssen keineswegs immer mit der Gießkanne und „an alle gleich“ ausgeschüttet werden. Es kann auch ein Benefit-Kriterium bestimmt werden.
All diese Kriterien sind bei der Gestaltung von Comp&Ben-Systemen sehr, sehr sorgfältig zu bestimmen. Und bei der Revision von Comp&Ben-Systemen ganz genau zu prüfen. Sorgt es einerseits für Fairness im Bereich der Vergütung? Spiegelt es das Ziel und die beabsichtigte Anreizrichtung genau wider? Was wären passendere Alternativen? Falls Sie dabei etwas Unterstützung gebrauchen können oder ein neutrales Gutachten benötigen, sprechen Sie uns bitte an.
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Über Gunther Wolf
Gunther Wolf, Diplom-Ökonom und Diplom-Psychologe, ist Experte für Performance Management, erfolgsorientierte Unternehmensführung und organische Wachstumsstrategien. Erfahren Sie hier mehr über und von » Gunther Wolf.
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